Hydrologie, Hydrogeographie

   
 

 Fluvialgeomorphologie I

 
   

1.

Erosion und Akkumulation
 

Fließgewässer tragen durch Abtrag, Transport und Ablagerung wesentlich zur Formung der Erdoberfläche bei.

Erosion: linienhafte Abtragung durch Wasser, auch allg. für Abtragung, bes. im engl. u. frz.
Denudation: flächenhafter Abtrag
Akkumulation: temporär
Sedimentation: definitiv

Erosion und Akkumulation abhängig von Fließgeschwindigkeit, Korngröße (Hyulström-Kurve), Gefälle, Abflussmenge, Materialfracht, Reibung, Gerinnequerschnitt, Turbulenz

Transport der Flussfracht:
Lösungsfracht: wird nicht sedimentiert
Schwebstoffe: Schluff und Ton in Suspension, bei starker Strömung auch Sand, Kies und Blöcke
Geröll (Geschiebe): auf der Sohle bewegter Sand, Kies und Blöcke, Abrundung durch Transport

 

2.

Talbildung durch fluviatile Prozesse
 

Taltyp

Tiefen-
erosion

Seiten-
erosion

Hang-
denudation

Akkumulation

Anmerkung

Klamm

Groß (>)

Kaum (+)

kaum

kaum

Bei großem Gefälle zu Vorfluterniveau

Kerbtal

Groß (=)

Gering (+)

mäßig -
groß

kaum

 

Canyon
(Cañon)

Groß (=)

Gering (+)

mäßig -
groß

kaum

gestuftes Kerbtal in semiariden Gebieten

Sohlental
(Kastental)

gering

groß

gering -
mäßig

gering

Unterschneidung der Seitenhänge, Felssohle mit Schotterdecke

Aufschüttungs-
Sohlental

gering

gering

gering -
mäßig (<)

groß

Aufschüttungs-Talboden, aufgefülltes Kerbtal

Muldental

Gering (+)

gering- mäßig

groß

kaum

 

Ebene

Gering

groß

kaum

gering -
groß

v.a. Umlagerung und Akkumulation

 

Asymmetrische Täler:
strukturbedingt: verschieden widerstandsfähige Gesteine, Isoklinaltäler
Klima-/ expositionsbedingt: Lößanwehung, Einstrahlung: Verwitterung, Solifluktion

 

3.

Gerinnemorphologie

auch Zwischen- und Übergansformen
 

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gestreckt / gerade: bei steilem Gefälle, in Kerbtälern, folgt oft Lineament (geologische Schwächezone), z.B. in jungen Mittelgebirgen
verzweigt,auch: "verwildert", "Wildfluss", braided river, anastomosierend (nur a, c?)

a)

b)


c)

Erosionsverzweigung: Einschneidung mehrerer Felsrinnen bei großer Strömungsenergie, Bildung von Felsinseln
Breitenverzweigung: beidseitige Ufererosion in nicht kohäsivem Material, steiles Gefälle und hohe Geschiebefracht, meist Grobgeschiebe: Kies-/Schotterbänke, kein Hauptgerinne, ständige Verlagerung, v.a. im Hochgebirge und deren Vorland
Dammflussverzweigung: Nebenarme entsehen nur bei Hochwasser durch Überflutung der Flussdämme, Hauptlauf und 1-2 Nebenläufe, Ufer sind relativ stabil: Schluff, Ton
 

-
-

gewunden / gekrümmt: mittleres Gefälle, im Hügelland
schlängelnd / mäandrierend: mind. in Sinuskurven fließend, Bildung von Prall- und Gleitufern durch Seitenerosion und Akkumulation, Bezeichnung nach Fluss Mäander, heute: Menderes, in West-Anatolien
 

a)




b)

Fluss- / Wiesen- / freie Mäander: Fluss mäandriert in Ebene oder Talsohle mit geringem Gefälle, initiiert durch Pendeln des Stromstrichs, M. verlagern sich talabwärts, Durchbruch des Halses durch raschere Verlagerung der oberen Bogens oder Sehnenabschnürung bei Hochwasser bildet Altwasserarm, verlandet zu Altwassersee
Tal- / Zwangs-/ beschränkte Mäander: Talverlauf mäandriert, entstanden durch Eintiefung ehemaliger Flussmäander, Wellenlänge bleibt konstant, durch Halsabschnürung entstehen Umlauftal und -berg

 

4.

Längsprofil
 

stetig abnehmendes Gefälle, konkaves Längsprofil, Haupterosionsbasis: Meer oder Endsee. regionale Erosionsbasen: Kette von konkaven Linien mit Knickpunkten, Bsp. Rhein mind. 3 regionale Erosionsbasen

Veränderung der Erosionsbasis: Meeresspiegelschwankungen, Krustenbewegung, Aufschüttung des Endbeckens, für regionale Erosionsbasen: Aufschüttung / Eintiefung des Vorfluters, Anzapfung
 

Wasserfälle:
An Knickpunkten im Längsverlauf

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Niagaratyp: widerstandsfähiges Deckgestein, Fallkolk
Kaskadentyp: kleine Stufen, Einschneiden in Klüfte, meist in homogenem Gestein
Hängetaltyp: Wasser fällt vom Ende eines glazialen Hängetals herab
 

Riffles & Pools:
rhythmische Abfolge von flachen Stellen mit hoher Fließgeschwindigkeit und tiefen Stellen mit langsamem Fließen im Abstand von + 5-facher Breite des Gewässerbetts, strömungsdynamisch bedingt, bei steilerem Gefälle Stufen-Pool-Sequenz

 

5.

Aufschüttungsformen
 

 

Terrasse: von Fluss geschaffene Verebnung, Ursachen s.o. Felssohlenterrasse: meist schotterbedeckte Felssohle Aufschüttungsterrasse: aus einem od. mehreren Schotterkörpern bestehend
 
Flussdamm / Dammufer: Aufschüttung bei Hochwasser, also großer Geröllfracht u. hoher Turbulenz, Verschleppung von Mündungen der Nebenflüsse, in Tiefländern z.T. Bett dadurch höher als umgebendes Land, z.B. Po, Mississippi, Huangho
 
Schwemmfächer /-kegel: Aufschüttungsform bei Austritt eines Fließgewässers in eine Ebene, bes. ausgeprägt bei hoher Geröllfracht u. scharfer Grenze der Landschaftseinheiten
 
Delta: -förmige, verzweigt Flussmündung, ins stehendes Gewässer (Meer od. See) sedimentierter Schwemmfächer, Absetzten des Gerölls in Böschungsschichten u. der Schwebfracht in Bodenschichten. Am offenen Meer: Abführung des Materials durch Strömung, an Seen, Rand- u. Binnenmeeren mit geringer Strömung und Tidenhub intensive Deltabildung
 

 

Deltatypen:

 

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Spitzdelta: Sedimente werden durch Strömung an den Seiten des Mündungsarms abgelagert, Bsp. Tiber
Flügeldelta: Sedimente werden durch Strömung an den Seiten des Mündungsarms als Nehrungsbarren abgelagert, Bsp. Ebro
Fingerdelta (Vogelfußdelta): Bildung mehrerer Flussdämme bei großer Flussfracht u. geringer Strömung, Bsp. Mississippi
Bogendelta: Bildung von Nehrungen, Abschluss, Deltaseen, Außenrand ist ein kontinuierlicher Bogen, Bsp. Niger, z.T. Nil
Ästuardelta: Mündungsarme durch starke Gezeiten trichterartig verbreitert, Bsp. Rhein/Maas, Amazonas, Ganges
 
 

 

In Wirklichkeit meist Mischtypen, Bsp. Orinoko, Po, Donau, ...

 

6.

Fluss- und Talnetze
 

Gewässerdichte variiert nach Durchlässigkeit der Gesteine im Untergrund, Alter des Netzes, Klima Gliederung in hierarchischen Ordnungssystemen, z.B. nach Strahler, Horton
 

 

Grundrissmuster von Fluss- und Talnetzen
 

In erster Linie zur verbalen Beschreibung, erst dann Kausalbeziehungen
 

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parallel: junge Landoberfläche mit gleichsinnigem Gefälle, Bsp. Alpenvorland
radial: von zentraler Aufwölbung oder Gipfel ausgehend, jung
dendritisch: baumartig verzweigt, kaum strukturelle Einflüsse, alt, ausgereift
rechtwinklig: folgt Klüften und Verwerfungen
spalierartig (appalachisch): Längstäler folgen gefalteten Gesteinsschichten, kleine Bäche von Schichtkämmen, Durchbruchstäler
ringförmig: Sonderform des spalierartigen Netzes bei umlaufendem Streichen
chaotisch: ohne vorherrschende Entwicklungsrichtung, mit Wannen, jung, unentwickelt, in Jungmoränengebiet
zentripedal: Entwässerung in Zentrum einer Hohlform (Becken, Senke, Caldera), dann nach außen, Bsp. Böhmisches Becken
 

Veränderung von Flusssystemen durch:
 

Anzapfung

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durch einseitige Erniedrigung der Wasserscheide: oft Anzapfungsknie durch Laufumlenkung, geköpfter Bach, underfit stream, Talwasserscheide
durch rückschreitende Erosion od. seitliche Verschiebung der Wasserscheiden
 

Durchbruchstäler

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Antezedenz: bestehender Flusslauf erodiert sich in hebendes Gebirge, Bsp. Mittelrhein/Schiefergebirge, Elbe/Sächsische Schweiz, Donau/Eisernes Tor, Columbia River Gorge
Epigenese: Durchschneiden eines Härtlings · Rückschreitende Erosion

 

7.

Fluvialmorphologie in Mitteleuropa
 

 

Talbildung im Pleistozän
Reliefbildende Kraft im Holozän gering, Talbildungen sind meist pleistozäne Vorzeitbildungen

Frostverwitterung stellt große Schuttmassen bereit, wird durch Solifluktion und Runsenspülung in Täler transportiert, Umlagerung und Akkumulation der Geschiebe durch Pendeln des Hauptstroms über den ganzen Talgrund (braided river), im Interglazial Hangschutt durch Vegetation festgelegt, daher weniger Geschiebenachlieferung, Aufnahme der Gerölle aus der Sohle und Einschneidung des sich verlagernden unverzweigten Flusses, Terrassenbildung, mehrfacher Klimawechsel - mehrere Terrassenniveaus

Auelehmbildung

Aue: regelmäßig überfluteter Bereich des Talbodens, mind. 1x jährlich, oder größter je überschwemmter Bereich Auelehm: feinkörnige Hochwasserablagerung (Feinsand, Schluff, Ton) Bildung nach Freilegen des Bodens seit dem Neolithikum (6000 BP) u. verstärkt im Mittelalter durch Abspülung von Boden und Ablagerung in der Aue, einige Autoren halten Auelehm nicht für anthropogen verursacht, sondern nur verstärkt und beschleunigt. Auelehm kommt besonders in Einzugsgebieten mit Löß oder feinkörnig verwitterndem Gestein vor, in anderen Gebieten kein Auelehm, Bsp. Norddt. Tiefland

Eingriffe in Fließgewässer

Seit der Römerzeit, im Mittelalter, größere Veränderungen erst in der Neuzeit, Schwerpunkt 19. u. 20. Jh.: Regulierung der großen Flüsse, Ausbau für Schifffahrt, Hochwasserschutz, Erschließung der Auen Begradigung, Verkürzung der Laufstrecke, Eintiefung der Flüsse

 

 

Literatur:
 

 

KERN, KLAUS (1992): Grundlagen naturnaher Gewässergestaltung. Geomorphologische Entwicklung von Fließgewässern. Berlin, Heidelberg (S 1-119)

AHNERT, FRANK (1996): Einführung in die Geomorphologie, Stuttgart (S. 175 -273)

VL Geomorphologie (Sponholz)
VL Hydrogeographie (Jacobeit)

 

 

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